07.07.2021
Die Geschichte von Schaipers Pütt am Hermannsweg
Von Dr. Christof Spannhoff
Wandert man den Hermannsweg von Lienen nach Bad Iburg entlang, kommt man auch an einem Hinweisschild vorüber, auf dem „Schaipers Pütt“ zu lesen ist. Mit diesem Namen wird auf eine Quelle verwiesen, die sich wenige Meter südlich des Kammpfades findet. Es handelt sich um eine sogenannte artesische Quelle, die in niederschlagsarmen Sommern trockenfällt. Die Benennung, die erstmals in einer Grenzbeschreibung von 1789 nachweisbar ist, stammt aus einer Zeit, als der Lienener Berg noch Gemeinheitsland war und von den Markenberechtigten unter anderem zur Viehweide – auch der Schafe, daher Schaipers (Schäfers) Pütt – genutzt wurde. Zwar teilte man die Fläche zwischen 1749 und 1761 auf und nutzte sie in der Folgezeit zunehmend forstwirtschaftlich. Hude und Weide im Lienener Berg wurden allerdings erst zwischen 1821 und 1846 allmählich abgeschafft. Dadurch verlor auch die Quelle ihre Bedeutung als Viehtränke. Der Name hat sich allerdings bis heute gehalten.
Schaipers Pütt heute.
Foto: Chr. Spannhoff
Doch was bedeutet eigentlich der Begriff Pütt? Sprecher des Plattdeutschen wissen, dass mit Pütt ein Brunnen oder eine Quelle gemeint ist. Neben der männlichen Form Pütt gibt es im Niederdeutschen darüber hinaus die weibliche Variante Pütte mit ähnlicher Bedeutung. Allerdings ist die Übersetzung von Pütt/Pütte als hochdeutsch ‚Pfütze‘ nicht ganz richtig, obwohl hier etymologisch dasselbe Wort vorliegt. Durch die sogenannte Althochdeutsche Lautverschiebung wurde germanisch p zu hochdeutsch pf und tt zu tz. Im Mittelniederdeutschen, dem Vorgänger des heutigen Plattdeutschen, das zwischen 1200 und 1650 gebraucht wurde, konnte mit Pütt bzw. Pütte auch eine mit Wasser gefüllte Grube bezeichnet werden. Doch wohl kaum jemand weiß, dass der so urig plattdeutsch klingende Ausdruck ursprünglich aus der Gelehrtensprache Latein stammt. Es handelt sich um eine Entlehnung aus lateinisch puteus ‚Grube, Schacht, Brunnen, Quelle‘. Die Germanen übernahmen das Wort zunächst nur für den ‚aus Steinen gemauerten Schachtbrunnen‘, den sie von den Römern kennengelernt hatten. Nach Westfalen gelangte die Bezeichnung vom Niederrhein her und zwar verstärkt im Zuge der Christianisierung im 9. Jahrhundert. Hier bestand für das neue Lehnwort allerdings zunächst eine starke Konkurrenz in den germanischen Erbwörtern Sod ‚künstlicher Brunnen‘ und Born ‚natürliche Quelle‘, sodass es zunächst auf den ‚Schachtbrunnen‘ begrenzt war. Allerdings verschwanden seit dem 18. Jahrhundert die Begriffe Sod und Born aus dem aktiven Sprachgebrauch und Pütt/Pütte konnte die Bedeutung für ‚Brunnen‘ und ‚Quelle‘ übernehmen, woraus sich die heutige Bedeutungsbreite erklärt. Dass das Wort vor allem aber ursprünglich einen künstlichen Schacht oder eine Grube bezeichnet hat, zeigt sich noch an seiner besonderen Verwendung im Bergbau. So heißt der Ibbenbürener Bergbau ebenfalls „Pütt“, weil hier Schächte und Gruben – also Pütten – zur Kohleförderung gegraben wurden.
Die Quelle „Schaipers Pütt“ ist auf dieser Karte von 1843 als „Hohe Welle“ verzeichnet. Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Kartensammlung A, Nr. 3994.
Foto: Chr. Spannhoff
Der Name Schaipers Pütt wird somit erst im 18. Jahrhundert aufgekommen sein. Dazu stimmt zum einen, dass erst unter preußischer Herrschaft ab 1707 die Schafhaltung in Lienen ihren Aufschwung nahm. Zum anderen wurde die Quelle in älteren Dokumenten „Hohe Welle“ genannt. Die Identität wird noch durch eine Karte aus dem Jahr 1843 bestätigt. Das plattdeutsche Wort Welle meint ebenfalls nichts anderes als eine Quelle. Es hängt mit dem Tätigkeitswort wallen zusammen. Die Welle ist also eigentlich das Wallende. Die Hohe Welle wird bereits in einer Beschreibung des Jahres 1609 als Grenzpunkt zwischen der Grafschaft Tecklenburg und dem Fürstbistum Osnabrück genannt. 1618 heißt es, dass am „Schlagbaume in der Hohen Welle alle Verstrickte, welche des Landeß verwiesen vnnd außer des Stiffts (Osnabrück) verweiset werden sollen, daselbst gebracht werden“. Am Grenzpunkt Schaipers Pütt bzw. Hohe Welle wurden also Osnabrücker Straftäter des Landes verwiesen: ein geschichtsträchtiger Ort.