30.01.2022

Einer der ältesten Wege Lienens

Der Voßhaarweg war einst die Hauptverbindung nach Glandorf

Von Dr. Christof Spannhoff

Wenn man heute von Lienen nach Glandorf gelangen möchte, benutzt man normalerweise die Glandorfer Straße, die jenseits der Orts- und Landesgrenze dann Liener Landweg heißt. Doch diese Trasse ist erst eine jüngere Verbindung. Der alte Hauptweg nach Glandorf führte über den Voßhaarweg und weiter über den Hemelinger Weg, die beide heute allerdings nur noch Nebenstraßen sind. Die frühere Wichtigkeit dieser Verbindung lässt sich allerdings an mehreren geschichtlichen Spuren ablesen: 

Die Strecke führt in gerade Linie auf die Lienener Kirche zu. Kein Wunder, dass sie auch ein Teilstück des alten Meckelweger Kirch- und Leichwegs darstellte, wie sich für das Jahr 1780 belegen lässt. Über den Voßhaarweg und die Schulstraße kamen die Einwohner aus Meckelwege zum sonntäglichen Gottesdienst gezogen. Auf ihm wurden auch die Särge mit den Verstorbenen transportiert, die man dann auf dem Kirchhof um das Gotteshaus herum begrub.

Dass der Weg bereits im Mittelalter von Bedeutung war, zeigt die Tatsache, dass unmittelbar an ihm ein Fron- oder Oberhof des Osnabrücker Bischofs lag: Die „curtis Dalhof“, die 1240 im bischöflichen Tafelgutregister erstmals erwähnt wird, aber durchaus älter sein muss. Denn in besagtem Verzeichnis ist schon von zwei Häusern die Rede. Die Teilung des alten Fronhofes, die später zu den Anwesen Ober- und Niederdalhoff führte (1355 wird erstmals der „Overe Dalhof zu Lynen“ genannt), deutet sich hier also bereits an. Eine curtis war ein großer Wirtschaftshof, der aber auch administrative und militärische Funktionen hatte. So zogen die Besitzer solcher Oberhöfe Abgaben für ihren Herrn ein, vertraten ihn vor Ort und regelten alltägliche Belange. Solche Fronhöfe lagen zumeist an Hauptverkehrswegen und dienten dazu, diese Einfallstraßen im Gefahrenfall zu kontrollieren und zu sperren. 

Das ist auch beim Dalhof der Fall gewesen. Die Landwehr, also eine Wehranlage aus Gräben und Wällen, die zusätzlich mit Dorngestrüpp bepflanzt waren, und der sperrende Schlagbaum, das sogenannte „Heck“, lagen beim heutigen Anwesen Königkrämer (Voßhaarweg 5), das früher den Namen Krützhecker (1575) trug, womit derjenige benannt worden war, der am „Krützheck“, also am verschließbaren Durchgang wohnte. Der Bestandteil Krütz- im Namen dürfte auf ein Steinkreuz hinweisen. Solche Zeichen fanden sich ebenfalls oft an alten Wegen. Bei Krützhecker konnte also der Weg abgeriegelt und in Kriegszeiten verteidigt werden. Auch der Name des direkt gegenüberliegenden Hofes (heute Dreyer, Voßhaarweg 6) hält die Erinnerung an diese Situation fest. 1575 heißt er noch „Scheper vor dem Cruitzhecke“. Da die Benennung von Lienen aus erfolgt sein dürfte, lagen Landwehr und Schlagbaum vermutlich unmittelbar südlich der beiden Anwesen. 

Eine ganz ähnliche Situation findet sich übrigens im Osten Lienens. Hier sperrte der bischöfliche Fronhof Upmeier (heute Gut Hohenfelde) den Weg nach Bad Iburg ebenfalls mittels einer Landwehr, die im Bereich der heutigen Orts- und Landesgrenze von Norden nach Süden bis in das sumpfige Dorenbrook verlief. 

Dass der Voßhaarweg ein alter Weg ist, zeigt darüber hinaus der an ihm gelegene alte Galgen, der sich unmittelbar am Weg 550 Meter südlich des Anwesens Hölscher (Voßhaarweg 10) befand. Er ist noch auf Karten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts verzeichnet. Solche Hinrichtungsstätten wurden vielfach an Hauptverkehrsachsen platziert. Die Anlagen des Halsgerichtes sollten abschreckend wirken und die Vorüberziehenden an die Folgen von Straftaten erinnern.

Der Ort des Großsteingrabes und des „Gerichtes“ auf der Voßhaar auf einer Karte von 1782 (gesüdet). Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Kartensammlung A Nr. 271.

Möglicherweise geht der Weg aber bereits in vorgeschichtliche Zeit zurück. Denn in unmittelbarer Nähe des Galgens lag auch ein jungsteinzeitliches Großsteingrab, das allerdings schon vor 1900 zerstört wurde. Die Findlinge nutzte man zum Hausbau. Solche Megalithgräber sind ebenfalls vielfach auf alte Verkehrswege bezogen. Somit könnte der Voßhaarweg bereits seit mehreren tausend Jahren als Verbindungstrecke genutzt worden sein. Auf jeden Fall gehört er zu den ältesten Wegen Lienens.